In den 60ern werden die Deutschen zu Reiseweltmeistern. 1960 verreisen 13 Millionen Westdeutsche. Ein Jahr später sind es schon drei Millionen mehr. Beliebte Ziele: Österreich, Italien, Spanien und Jugoslawien. Meist geht es mit dem eigenen Auto in den Urlaub. Schauspielerin Jutta Speidel fährt mit der ganzen Familie im VW Käfer Richtung Süden. Im Heck des Wagens richten ihr die Eltern für die lange Fahrt eine Puppenstube ein. Autofahren ist noch ein echtes Erlebnis.
Ratgeber für eine sichere Urlaubsfahrt, wird die Fernsehsendung „Der 7. Sinn“. Sprecher Egon Hoegen erinnert sich an die besten Tipps wie: „Lassen Sie Ihre Kinder nicht an der Tankstelle stehen!“
Im Osten begrenzt der Bau der Mauer seit Anfang der 60er Jahre die Reiselust der DDR-Bürger. Werner Coch, ein junger ostdeutscher Student, wird 1961 während seines Urlaubs im Westen vom Mauerbau überrascht. Plötzlich steht er vor der Entscheidung: Zurück hinter den Stacheldraht oder im Westen bleiben? Er geht zurück und bereut es bitter. Für DDR-Bürger werden die Campingplätze an den Ostseestränden zum beliebten Ferienziel. Trotz Verboten wird dort immer mehr nackt gebadet. Camping und FKK sind ein Stück Eigensinn, den sich auch der Lausitzer Michael Franke gönnt. Mit seiner Kamera hält er das „nackte“ Leben am Strand fest. „Ich hab’s immer nur vom Hörensagen, dass man verklemmter war im Westen als bei uns. Aber das war unsere Art Freiheit“.
Seit Beginn der 60er Jahre werden im Westen günstige Flugreisen angeboten, die Einführung der computergestützten Reisebuchung macht aus dem Tourismus eine Industrie. Der Unternehmer Manfred Henneken erkennt die Gunst der Stunde und baut Hotels auf einer Insel, auf der es bisher fast nur Ziegen und viel Sand gibt. So macht er Fuerteventura zum Ferienziel für Pauschaltouristen. Mallorca ist da schon weiter. Hunderte Billig-Charterflieger bringen schon Anfang der 60er deutsche Touristen auf die Insel. Der junge Wissenschaftler Henning Hallwachs begleitet Mallorca-Touristen und notiert für eine Studie, was den deutschen Touristen im Urlaub beschäftigt: „Die meisten beschwerten sich über alles Mögliche, am liebsten über den Service.“
Bis Ende der 60er Jahre macht die Bückeburgerin Evelyn Brandt noch brav Urlaub mit den Eltern – am Gardasee. Doch kaum ist sie erwachsen, wagt sie sich alleine hinaus in die Welt. In Indien lockt eine fremde, exotische Welt. Aber Durchfall und Wanzen im Bett holen sie schnell in die Realität zurück: „Und dann dachte ich wieder „Oh Gott, wenn mir hier was passiert“ und dann musste ich wieder weinen.“ Auch Peter Strehlau reist als Hippie nach Afghanistan. Er entdeckt, dass einheimische Waren zuhause in Deutschland gefragt sind und macht seine Reisen zum Geschäft. Am ungarischen Balaton treffen Ende der siebziger Jahre Deutsche-Ost und Deutsche-West aufeinander. Die Devisen der Westdeutschen verderben den Ostdeutschen die gute Laune, denn die Westler lassen es bei günstigen Umtauschkursen im Urlaub krachen – ihren Landsleuten bleibt nichts anderes übrig, als zuzuschauen. Am Ende wird die Dresdner Familie Höntsch sogar aus ihrer Pension vertrieben, weil Westurlauber mehr bezahlen. Der Campingfreund Michael Franke aus der Lausitz bleibt gelassen: „…wir sind abends am Feuer gesessen und haben gesagt, stell dir mal vor, du müsstest jetzt am Atlantik sitzen, da ist’s kalt, da weht der Wind. Guck mal, so eine schöne laue Nacht hier in Mecklenburg, ist doch toll! Wir haben es eigentlich mit Humor genommen.“
„Vom Ostseestrand bis Indien“ erzählt die Geschichte des Urlaubs in den 60er und 70er Jahren, als die Deutschen Reiseweltmeister wurden und sich in Individual- und Pauschal- aber auch in Ost- und Westtouristen spalteten.
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