Rund 560 Kilo Müll produziert jeder Deutsche im Jahr. Für uns ist Müll wertlos. Wir bezahlen sogar noch für dessen Entsorgung. Gerade in Zeiten von Rohstoffknappheit und Klimawandel scheint der Müll aber vor allem eines: goldwert.
Sie stehen in Hinterhöfen, an Straßenecken, in Grünanlagen: Mülltonnen. Metaphern unserer Wegwerfgesellschaft. Achtlos werfen wir ihn weg, unseren Müll. Und bezahlen sogar noch dafür, dass andere ihn entsorgen. Dabei ist es dringend an der Zeit, umzudenken. Müll ist ein Rohstoff. Manche sagen sogar, Müll sei der einzige Rohstoff, um den wir uns in Zukunft keine Gedanken machen müssten.
In die Tonne geschaut
Und es gibt sie bereits: kreative Köpfe, die begonnen haben, Müll neu zu denken. Und ihm in Zeiten von Klimawandel und Rohstoffknappheit eine zweite Chance geben. Wolf-Christian Ulrich interessiert sich für diese Menschen. Er begibt sich auf eine Reise durch Deutschlands Hinterhöfe – und schaut dabei tief in die Tonnen. Dabei trifft er auf Öko-Entrepreneur Tom Szaky, dessen Firma TerraCycle gerade das erste Büro in Deutschland gegründet hat.
Szaky fordert dazu auf, nicht recycelbaren Müll zu sammeln und an TerraCycle zu schicken. Dort entstehen dann neue Produkte aus Abfall. Das System funktioniert: In den USA sammeln bereits mehr als 23 Millionen Menschen Müll für TerraCycle. Die Idee zum Upcycling, also die Aufwertung von Abfall zu etwas Wertvollem, hatte man in Zürich schon vor knapp 20 Jahren. Wolf-Christian Ulrich besucht Daniel und Markus Freitag, die mit Taschen aus abgewetzten LKW-Planen die Welt erobert haben. Das ehemals studentische Start-up verkauft jährlich 300.000 Produkte in Shops von Davos bis Tokyo.
Es geht nicht um Umweltschutz
Die Wirtschaft hat längst erkannt, welcher Wert in unseren Tonnen steckt. Doch meist geht es nur — wie so oft — ums Geld. Die Abfallindustrie ist einer der größten Wirtschaftszweige Deutschlands, Recycling ein Milliardengeschäft. Seit Monaten tobt ein heftiger Streit darüber, wer den wohlsortierten Abfall beim Bürger abholen darf und wem die Reste letztlich gehören — dem Staat oder der Privatwirtschaft. Die Krux: meist geht es hier um handfeste Rohstoffinteressen. Und weniger um Umweltschutz. „Menschen sind die einzigen Lebewesen, die Müll machen”, sagt der Wissenschaftler Michael Braungart. Er fordert eine industrielle Re-Evolution, um die Umweltzerstörung, die mit unserer Wegwerfgesellschaft einhergeht, zu stoppen.
Verbrauchsgüter sollten kompostiert, Gebrauchsgüter immer wieder und wieder recycelt werden können, ohne dass sie an Materialwert oder Intelligenz verlieren. Braungarts Prinzip heißt: Cradle to Cradle. Von der Wiege in die Wiege statt wie bisher von der Wiege bis zur Bahre.
Müll ist Materie am falschen Ort. Müll kann mehr als nur in grauen Tonnen zu dümpeln oder verbrannt zu werden. Müll ist goldwert. Man muss ihm nur eine Chance geben.
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