Veerle Schrovens ist Stockholm verfallen. Täglich klettert sie in Bergsteigermontur auf die Dächer der Stockholmer Altstadt und kann sich kein anderes Leben vorstellen. Die 41-Jährige braucht das. Den Blick auf die pastellfarbenen Häuser und auf das glitzernde Wasser von Ostsee und Mälarsee, die im Zentrum Stockholms zusammenfließen. Vor 15 Jahren kam die Belgierin als Groß- und Außenhandelskauffrau das erste Mal im Rahmen einer Dienstreise nach Stockholm. Im dunklen, kalten Winter.
Doch zum ersten Mal in ihrem Leben fühlte sich die rastlose Veerle zu Hause. “Ich komme von hier”, fühlte sie damals. Obwohl sie nie zuvor in Stockholm gewesen war. Die Natur in und um die Stadt, die alten Prachtbauten, die entspannte Atmosphäre, nicht zuletzt die sanfte schwedische Sprache, die sich anfühlt wie ein Kuscheldecke – all ließ Veerle nicht mehr los. Sie gab ihre Arbeit auf und zog nach Stockholm. Und als wäre es Schicksal, fand sie den Traumjob, der ihr nun mehrmals täglich eine einmalige Perspektive auf die Stadt erlaubt: Sie organisiert Klettertouren über die Dächer der Altstadt.
Stockholm ist eine schwimmende Metropole, mit einzigartiger Stadtgeographie: jeweils ein Drittel der Stadtfläche besteht aus Grünflächen, Wasser und bebautem Gebiet. Man kann mitten in der City schwimmen, angeln oder im Winter schlittschuhlaufen. Ostsee und Mälarsee umarmen Stockholm an allen Ecken und Enden, das glitzernde Spiel des Wassers ist in der Stadt überall sichtbar. Stockholm liegt auf 14 Inseln, die durch 57 Brücken verbunden sind. Alles in Stockholm ist auf Inseln erbaut. Auch für viele Schweden ist Stockholm ihre Traumstadt. Sie kommen aus der schwedischen Provinz in die Hauptstadt, um sich hier zu verwirklichen, in Design, Musik, Literatur und Business.
Die “Volksheim”-Idee aus den 30er Jahren, eine skandinavische Form des Sozialismus, ist auch heute noch immer das Fundament, auf dem die Gesellschaft ruht. Dennoch schlägt die Gesellschaft – am deutlichsten erkennbar in der Hauptstadt – einen Weg ein fort vom “Volksheim”-Gedanken hin zu Individualismus, hin zur “Ich-Gesellschaft”, in der Werbung für sich selbst und Marketing für die eigene Idee immer wichtiger werden. Die Tradition dieser Gesellschaft und die Wünsche der Nachgeborenen passen nicht mehr recht zueinander. Sie können mit der Gleichmacherei und dem Wohlbehagen des “Volksheims” nichts mehr anfangen, wollen sich mit “Durchschnitt” nicht mehr zufrieden geben. Am Stureplan, dem schicken Einkaufsviertel Stockholms treffen sie sich zum Mittagessen, zum Hummer und eisgekühlten Chardonnay. So auch Martin, junger Unternehmer. Gerade mal 30 ist er und schmeißt eine PR-Firma mit über 30 Mitarbeitern. Er arbeitet wie verrückt, und hat in einem Land – in dem Verkauf und Marketing bislang als “schmutzig” galten – den Schwerpunkt seiner Firma genau darauf gelegt, auf eine engagierte Verkaufsstrategie. In einem Land, in dem es verpönt ist, besondere Qualifikationen hervorzuheben, wird in Martins Firma alle vier Wochen der erfolgreichste Mitarbeiter des Monats gekürt. Start-Upper Martin will nicht mehr den so typischen Neid der Schweden fürchten. Er will das Recht haben, erfolgreich zu sein und das Geld, das er verdient, in ein anderes Auto als einen Volvo zu investieren. Für ihn soll Luxus kein Tabu mehr sein.
The post Traumstädte – Stockholm, die Entspannte appeared first on Doku Stream.