Während die traditionellen Kirchen Mitglieder verlieren, sind die sogenannten Evangelikalen im Aufwind. Dahinter verbirgt sich ein breites Spektrum verschiedenster Glaubensgemeinschaften wie Pfingstgemeinden, Freikirchen, Gemeinschaften der charismatischen Bewegung oder Gemeinden evangelischer Landeskirchen. Gemeinsam ist ihnen ihr Glaube an die Irrtumslosigkeit der Bibel und an Jesus Christus als den einzigen Retter. Wer Jesus ablehnt, sei verdammt, wie es in einer Erklärung der Evangelischen Allianz heißt. Sie ist die Dachorganisation der sogenannten Evangelikalen, etwa 1,3 Millionen Gläubige versammeln sich nach eigenen Angaben unter ihrem Dach. Innerhalb der Allianz gibt es verschiedene Strömungen und unterschiedlich radikale Ansichten zu Themen wie Homosexualität oder Abtreibung. An ihren Rändern kämpft die Allianz mit zum Teil fundamentalistischen Gruppierungen. Die stünden aber nicht für die Mitte der Bewegung, wie Jürgen Werth, Mitglied des Hauptvorstandes der evangelischen Allianz, betont.
Etwa 20.000 Besucher kamen an Fronleichnam im Juni zum Christus Tag in Stuttgart, einer Großveranstaltung der Evangelischen Allianz. Hier demonstrierten Evangelikale und die Evangelische Kirche Deutschlands Harmonie, auch Margot Käßmann war dabei, überbrachte ein Grußwort: “Aber in der Evangelischen Kirche gibt es Diskussionen über das Eheverständnis beispielsweise, über das Kirchenverständnis, wie gehen wir mit der Bibel um”, sagte sie. Doch solch kritische Worte zum Umgang mit der Bibel hörten hier nicht alle gern. Einige der sogenannten entschiedenen Christen scheuen eine offene Diskussion und grenzen sich lieber von Liberalen ab – aus Sorge um ihre konservativen Grundsätze.
Sex vor der Ehe, Homosexualität und Abtreibung – das sind umstrittene Themen in der evangelikalen Bewegung. Unterschiede gibt es auch in der Ausübung des Glaubens. Sogenannte charismatische Gemeinden messen dem Heiligen Geist eine besondere Bedeutung bei, glauben, dass dieser die Menschen zum Beispiel in Gottesdiensten direkt berühre. Diese Berührungen äußern sich mitunter in Form von Zuckungen, Lachsalven oder Schreien. Eine charismatische Gemeinde ist die TOS Gemeinde Tübingen. Wer hier Mitglied sein will, soll vorher eine sogenannte Lebensbeichte ablegen. Anhand einer mehrseitigen Liste kann man potenzielle Sünden identifizieren. Dazu zählen Geisteskrankheiten, die Tatsache, dass man seine Eltern als Kind nackt gesehen hat oder auch Homosexualität und homosexuelle Gedanken. Jobst Bittner, Gemeindeleiter der TOS wiegelt ab, es gehe weniger um die einzelnen Dinge bei der Lebensbeichte, sondern darum, “dass ich mich von Gott abwende”. Die Lebensbeichte solle eher “wie ein Spiegel” sein, durch den man sich Gott wieder zuwenden könne, so Bittner.
Die TOS Gemeinde Tübingen veranstaltet immer wieder sogenannte Heilungsgottesdienste oder Heilungskonferenzen. Bei einer dieser Veranstaltungen Anfang des Jahres war auch der Arzt Dr. Arne Elsen aus Hamburg – eigentlich Diabetologe – anwesend, der auf die Frage eines homosexuellen “Panorama”-Reporters, ob er ihn von seiner Homosexualität heilen könne, antworte: “Logisch”.
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